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Sorgen über Sorgen


Habe ich genug gelernt für die nächsten Prüfungen? Alles mit dem BAföG in Ordnung? Aber ist das Studium überhaupt das richtige? Und die Stadt? Mit dem Semesterbeginn beginnt pünktlich die Zeit der Sorgen. Bei der schieren Anzahl von Deadlines und Pflichtterminen ist die Angst, etwas vergessen oder nicht beachtet zu haben mehr als real.

Sich zu sorgen ist normal!

Sich Sorgen zu machen und über Zukünftiges nachzugrübeln kann sicherlich manchmal dabei helfen, für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Indem wir uns Sorgen machen, durchdenken wir alle möglichen Ausgänge und Ereignisse in der Zukunft, und so fällt uns der eine oder andere Termin, die eine oder andere Bewerbung, die wir noch abschicken könnten, ein. Kurzum: in geringem Maße sind Sorgen vollkommen normal - wir machen uns Sorgen, und das ist auch gut so. Es ermöglicht uns, richtige Entscheidungen zu treffen, bevor es zu spät ist und nicht einfach gedankenlos von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern.

In Maßen also sind Sorgen vollkommen menschlich, und nicht schädlich. Auch neuropsychologisch lässt sich das nachweisen: wenn wir unseren Sorgen rational nachgehen, tritt ein so genannter somatischer Suppressionseffekt auf: wenn wir uns bewusst mit den Problemen auseinandersetzen, werden angstbesetzte Gedanken von unserem Gehirn als weniger schädlich eingestuft, und wir können beruhigt schlafen gehen.

Wenn die Sorgen die Kontrolle übernehmen

Wenn wir also glauben, dass Sorgen uns im Alltag weiterhelfen, geben uns unsere Lebenserfahrungen darin ganz sicher recht. So stellt sich schnell der Glauben ein, dass Grübeln und sich-sorgen eine adäquate Methode ist, mit seinen Problemen fertig zu werden.

Wenn der Stress einem dann aber endgültig über den Kopf wächst, das Geld knapp wird, es Stress mit den Mitbewohnern gibt und die Noten in den Keller rauschen (oder andere unschöne Dinge passieren, die das Studentenleben alles so bereit hält) führt diese Einstellung jedoch zu einem besonders bösartigen Teufelskreis: wir versuchen weiter nachzugrübeln, um nach einer Lösung für unsere Probleme zu suchen, und springen vor lauter Problemen von einem zum nächsten. Zu einer Lösung kommt man so nicht mehr, die Gedanken aber rasen weiter und weiter, bis wir uns irgendwann Sorgen darüber machen, warum wir uns ständig und über alles sorgen. Man versucht seine Gedanken zu kontrollieren, allein schon aus der Angst, vollkommen verrückt zu werden.

Das kann natürlich nicht funktionieren. Wer versucht, nicht an den rosa Elefanten zu denken, denkt genau daran. Diese Angst, etwas Falsches zu Denken, die Angst, die Kontrolle zu verlieren und die vielen kleinen Sorgen des Alltags führen dazu, dass manche Menschen nicht mehr abschalten können und in einem ständigen Kreis der Angst gefangen sind. Genau deswegen nennt man das Vollbild einer solchen Symptomatik eine generalisierte Angststörung (GAS).

Wie kommt es zu diesem Teufelskreis?

Menschen, die unter dieser "Sorgen-Krankheit" leiden, durchleben meist grauenvolle Monate, bevor sie sich Hilfe holen; das liegt insbesondere daran, dass Vielen gar nicht mehr auffällt, woher ihre ständige Angst kommt. Subjektiv glauben Viele, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmt, denn durch die ständige Anspannung zeigen sich vor allem körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitze, Kälte- und Wärmegefühle, Schlafprobleme, Muskelanspannung und generell eine starke Nervosität.

Der britische Psychologe Adrian Wells hat ein Modell zur Erklärung der GAS aufgestellt, das davon ausgeht, dass diese zwei Grundgedanken, "Sorgen hilft mir" und "alles, auch ich, bin außer Kontrolle", wenn sie beide gegeben sind, den Teufelskreis der GAS zementieren und dafür sorgen, dass Betroffene keine Ruhe mehr finden.

Den ersten Gedanken nennt er dabei Typ-1-Sorgen, den zweiten Typ-2 oder Meta-Sorgen, weil es im Grunde Sorgen "über" Sorgen sind.

Dieser Prozess wird vor allem davon gesteuert, dass man seinen potenziellen Problemen und Ängsten zu viel Aufmerksamkeit schenkt, wenn man sich in ständiger Gefahr wähnt: die Aufmerksamkeit "klebt" auf angstvollen Gedanken und Phantasien, und es wird einem fast unmöglich, die Gedanken einfach fließen zu lassen.

Das Modell von Wells.

Was kann man gegen GAS-Symptome tun?

Zuerst einmal: sie als solche erkennen! Wenn ich weiß, dass meine ständige Angespanntheit nichts damit zu tun hat, dass ich die Kontrolle verliere, sondern nur daran liegt, dass ich glaube, die Kontrolle zu verlieren, ist der erste Schritt schon einmal getan. Techniken, um aus der Sorgenfalle herauszukommen sind unter anderem Entspannungsübungen, Sorgenexpositionen (bei denen man die eigenen Sorgen wirklich zu Ende denkt und dann versucht, sie beiseite zu legen). Auch Sorgentagebücher, in die man alles schreibt, was einem gerade durch den Kopf geht, können dabei helfen.

Am Ende muss aber vor allem die Einsicht stehen, dass alles mit einem in Ordnung ist, und man nicht die Kontrolle verliert, nur weil es einem so vorkommt. Nur so kann das Gehirn mit der Zeit lernen, dass keine Gefahr besteht und alles OK ist. Dann können sich Körper und Geist langsam wieder entspannen.

Wenn du dich selber in diesem Artikel wiedererkannt hast, empfiehlt sich in akuten Fällen ein Besuch beim Hausarzt. Auf langfristige Sicht bieten sowohl StudiCare Stress als auch ICare Prevent besonders zugeschnittene Techniken an, die dabei helfen, der Sorgenfalle zu entkommen.

Hier noch ein schönes Video, das den Teufelskreis noch etwas anschaulicher erläutert:

Literatur:

Burnette, J. L., Davis, D. E., Green, J. D., Worthington, E. L., & Bradfield, E. (2009). Insecure attachment and depressive symptoms: The mediating role of rumination, empathy, and forgiveness. Personality and Individual Differences, 46(3), 276-280.

Morrison, R., & O'Connor, R. C. (2005). Predicting psychological distress in college students: The role of rumination and stress. Journal of clinical psychology, 61(4), 447-460.

Wells, A. (2011). Metacognitive therapy for anxiety and depression. Guilford press.

Wells, A., & King, P. (2006). Metacognitive therapy for generalized anxiety disorder: An open trial. Journal of behavior therapy and experimental psychiatry, 37(3), 206-212.

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